Im Grunde hatte Stefan Glowacz gar keine andere Wahl, als einer der erfolgreichsten Alpinisten zu werden. Früh nahmen ihn seine Eltern mit in die Berge, jenes Terrain, das später seine Heimat werden sollte, und wenn er heute über seine frühkindliche Prägung redet scheint der Weg geradezu vorbestimmt gewesen zu sein: „Ich bin ja schon als Kind jeden Felsblock hoch, wenn ich mit den Eltern beim Wandern war.” Die Faszination Felsblock hat ihn nicht mehr losgelassen, und auch wenn die Felsen immer steiler wurden, und das Terrain um sie herum immer unwirtlicher, blieb die Motivation letztlich immer die Gleiche: Aufwärts in die Herausforderung. Es ist diese Mischung aus kindlicher Abenteuerlust, Demut und unbeschreiblichem Stolz, die Glowacz, Jahrgang 1965, noch heute immer wieder in die entlegenen Orte der Erde treibt. Wenn ihm auch seine Eltern die ersten Schritte ins Abenteuer wiesen, so war es doch sein Ehrgeiz, der ihn später zum Allround-Kletterer und Self-Made Unternehmer werden ließ.
Natürlich hatte auch der junge Glowacz diese Phase, als er seine Lehre und beruflichen Verpflichtungen dem Klettern so gnaden- und gedankenlos unterordnete, wie das wohl nur Visionäre tun. Es war und ist seine Passion. Aber während schon in den späteren 80ern viele lebten, um zu klettern, wollte Glowacz darüber hinaus irgendwann auch klettern, um zu leben. Früh entdeckte er, dass seine Leidenschaft nicht mit dem Abseilen enden darf, um sie zum Beruf zu machen und für Profis die Arbeit unterhalb der Vertikalen erst beginnt. Glowacz gewann das prestigereiche Rock Masters in Arco, erhielt mit einer Einladung ins Aktuelle Sportstudio des ZDF den medialen Ritterschlag als Sportler und schauspielerte im Werner Herzogs „Schrei aus Stein”. Als Ziehkind des Bergsportpaten Reinhold Messner avancierte er endgültig zum Vorreiter einer Bewegung. Zudem bewegte sich Glowacz stets auch selbst.
Eine Verletzung am Knöchel lehrte ihn jene Kehrseite, die gute Sportler erst vervollständigt: Dass zum jedem Hoch auch ein Tief gehört. Er kämpfte sich aus dem Tal zurück, beendete 1993 seine Wettkampfkarriere, widmete sich fortan stärker den unentdeckten, abgeschiedenen Wänden der Welt und bereicherte sein Leben um eine weitere Komponente: Das Hinkommen wurde ebenso wichtig wie das Hinaufkommen: Per Jeep durch die namibische Halbwüste, auf Skiern über die Eisfelder Patagoniens oder im Kanu des venezuelanischen Dschungels – es geht nicht mehr allein darum, wie schwierig die Routen sind, sondern wo. Nämlich dort, wo Lebenserfahrung, Ausdauer und Übersicht mindestens ebenso wichtig sind wie Schnellkraft und jugendlicher Elan.
Glowacz’ Nachfolger arbeiten wie einst er selbst an den Grenzen des klettertechnisch Möglichen, der gereifte Kletterer Glowacz arbeitet heute an den Grenzen der Zivilisation. Längst gibt er diese Erfahrung über das Vorwärtskommen, ob nun vertikal oder horizontal, ob dabei Kreativität oder doch eher Kondition verlangt wird, weiter. Er ist Vortragsredner für Führungskräfte aus der internationalen Wirtschaft und selbst Inhaber des Kletterausrüstungsherstellers Red Chili.
Die mehr als 30 Jahre seit seinem ersten Felsblock haben ihn an die steilsten Wände, die tiefsten Täler, zur deutschen Fußball-Nationalmannschaft und in namhafte deutsche Unternehmen geführt. Und ob nun Wettkampfkletterer, Abenteurer, Unternehmensgründer oder Referent – der einfache Weg war nie sein Ding, sondern vielmehr die Fähigkeit, das Ungewöhnliche zu meistern. Stefan Glowacz ist Vater von Drillingen.